Die Partnerschaft des Franchisenehmers in einem Franchisesystem fußt streng genommen auf wackeligen Beinen. Denn es gibt im deutschsprachigen Rechtsraum kein spezielles Franchise-Gesetz im Gegensatz zu Ländern wie Schweden, Frankreich, Italien, aber auch Russland und selbstredend in vielen US-Bundesstaaten im Mutterland des modernen Franchisings. Kein Wunder also, dass sich erst über Prozesse bis zur letzten Instanz, dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe oder dem Bundessozialgericht (BSG) in Kassel, eine stringente Rechtsprechung in den letzten drei Dekaden parallel zum aufkommenden Franchise-Booms entwickelt hat. Die Namen bekannter Franchisesysteme sind eng mit dem nachfolgend für alle Marktakteure bindenden juristischen Konsens verbunden: SIXT, Apollo, Sunpoint, Burger King, SUBWAY, Personal Total oder EISMANN.
Franchiseverträge und Franchisenehmer: Ein komplexes Vertragswerk
Der rechtliche Rahmen, den Franchiseverträge mit Franchisenehmern beachten müssen, ist breit gefächert. Franchiseverträge enthalten in aller Regel Elemente des Kauf-, Darlehens, Miet- bzw. Pachtvertrages sowie des Dienst- und Geschäftsbesorgungsvertrages. Es handelt sich also um einen Mischvertrag. In der Praxis tangieren rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Franchisegebern und Franchisenehmer weitere Rechtsgebiete: Allgemeines Schuldrecht (Vertragsrecht), insbesondere AGB-Recht; Kaufvertragsrecht, Verbraucherkreditrecht, Dienstvertragsrecht, Recht der Geschäftsbesorgungsverträge, Pacht-/Lizenzrecht, Kartellrecht, Markenrecht und gewerbliches Mietrecht. Das schwer fassbare „Franchiserecht“ bleibt selbst für angehende Juristen „terra incognita“, da das Thema an den Universitäten nur kurz gestreift wird. Allenfalls 100 Anwälte in Deutschland dürften sich zu den Franchise-Spezialisten rechnen.
Die EU-Gruppenfreistellungsverordnung und ihr Einfluss
Die Tatsache, dass Franchisenehmer im Verbund mit einem Franchisegeber wirtschaftlich gesehen ein Kartell bilden, das nur mittels Eignungsprofil und bei Bezahlung mitunter happiger „Eintrittsgebühren“ Marktteilnehmern offensteht und deren Preispolitik harmonisiert ist, provoziert einen weiteren Regelbedarf. Deshalb kommt die sogenannte EU-Gruppenfreistellungsverordnung im jeweiligen Einzelfall zur Anwendung. Darin werden die Voraussetzungen definiert, unter denen die Vereinbarungen oder Verhaltensweisen zwischen Unternehmen aus den Verboten ausgeschlossen werden. Bis zur Schaffung von Gruppenfreistellungsverordnungen, die auf Franchise-Netzwerke anwendbar sind, „kollidierte“ die moderne Vertriebsform Franchising mit der bestehenden Rechtsprechung.
Der Handelsvertretervertrag und seine Bedeutung
Anders, als die im Zweifelsfall vor Gericht zu klärenden Rechte und Pflichten in einem Franchisesystem, ist die Zusammenarbeit auf Basis eines Handelsvertretervertrages schon seit Kaiser Wilhelmszeiten im Handelsgesetzbuch (HGB) von 1897 klar geregelt. In Analogie, ein Kunstgriff den Juristen bevorzugt nutzen, wird daher auch beim Auslaufen von Franchiseverträgen diskutiert, ob dem Franchisenehmer wie einem Handelsvertreter für seine Aufbauarbeit und Kundenstamm ein finanzieller Ausgleich zustünde. Klärung brachte das BGH-Urteil vom 17. Juli 2002 (Az.: VIII ZR 59 / 01), wonach Franchisenehmer keinen Ausgleichsanspruch haben, wie er für Vertragshändler nach § 89b HGB festgeschrieben ist.
Vorvertragliche Aufklärungspflichten im Franchising
Die vorvertragliche Aufklärung über Chancen und Risiken einer Franchise-Partnerschaft zwischen Franchisesystem und Franchisenehmer zählt zur vielfach apostrophierten Fairness im Franchising. Hierzu hat Oberlandesgericht (OLG) München mit seinem Urteil vom 1. 08. 2002, Az.: 8 U 5085/01 im Fall des Franchisesystems Personal Total Klartext gesprochen und die Haftung des Franchisegebers für gezielte vorvertragliche Täuschung durch geschönte Zahlenangaben untermauert. „Das Urteil ist ein weiterer Meilenstein im Bereich der Haftung des Franchisegebers für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Es handelt sich um einen Fall der bewussten Täuschung durch Nennung angeblich erreichter Zahlen des Pilotbetriebes durch den Franchisegeber, die im vorliegenden Fall eine deliktische Haftung begründete. Der Franchisegeber haftet in diesem speziellen Fall auch für Prognosen und Planzahlen, wenn diese vorsätzlich falsch genannt wurden. Es kommt in dem Fall nicht darauf an, ob wahre Offenbarungspflichten bestanden, da der Franchiseinteressent durch die gezielte Täuschung zum Vertragsabschluss verleitet worden war“, so der prozessführende Anwalt Dr. Christian Prasse, aus Ahrensburg. Im selben Tenor entschied das Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg, mit seinem Urteil vom 05.09.2014 – Az.: 4 U 10/14 – an. Danach haftet der Franchisegeber, falls die Umsatzerwartungen aufgrund unrealistischer Grundlagen nicht erfüllt werden.
Prozesslawinen und ihre Auswirkungen
Eine regelrechte Prozess-Lawine löste das amerikanische Franchisesystem SUBWAY vom Start weg in Deutschland aus, die zum zeitweiligen Ausschluss aus der Qualitätsgemeinschaft des Deutschen Franchiseverband (DFV) führte. Der Teufel steckte auch da im Detail des Franchisevertrages: zum Beispiel Gerichtsstand New York. In letzter Zeit legte das Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2016, (Az.: I-20 U 56/15 „SUBWAY“), die Grenzen der Verpflichtung eines ehemaligen Franchisenehmers fest, nach dem Ausscheiden aus dem Franchisesystem sein Restaurant umzugestalten.
Juristische Herausforderungen in der Werbung und Preisbindung
Wie detailliert sich im Einzelfall inzwischen die Juristen mit Franchise-Systemen beschäftigen (müssen), zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts München I vom 26.10.2018 (Az.; 37 O 1335/15). Dabei geht es um unzulässige Preisbindungen aufgrund von Fernsehwerbung. Kartellrechtlich problematisch sind nicht nur vertraglich festgelegte Preisbindungen, sondern auch nachträgliche Verhaltensweisen oder Vereinbarungen im Rahmen der alltäglichen gelebten Franchisepartnerschaft. „Das Landgericht benannte ganz konkrete und strenge Voraussetzungen für Fernsehwerbung, wenn diese auf bestimmte Sonderaktionen Hinweise und zulässig sein solle“, erklärt Anwalt Martin Niklas aus Essen die für das gemeinsame Marketing im Franchise-Verbund richtungsweisenden Entscheidung zum „Kleingedruckten“ bei Werbeaktionen. Der Hinweis, dass „nur teilnehmende Restaurants“ eines Burger-Franchise-Systems an einer Sonderaktion partizipieren würden, müsse in einer bestimmten Mindestschriftgröße, während einer bestimmten Mindestdauer, und auch in einer für alle Fernsehzuschauer deutlich wahrnehmbaren Positionierung erscheinen, damit nicht für sämtliche Franchisenehmer eine faktische Preisbindung aufgrund der entsprechenden Kundenerwartung entstehe.
Der Ruf nach einem umfassenden Franchise-Gesetz
Immer wieder wird der Ruf nach einem allumfassenden Franchise-Gesetz laut. Eine Patentlösung scheint dies aber nicht zu sein, zu dynamisch ist Franchising, da muss weiterhin viel juristisches Neuland beackert werden. So hatte der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs allein im Fall Apollo-Optik in drei von 17 bei ihm anhängigen Parallelverfahren über eine Reihe von Ansprüchen entschieden, die von ehemaligen Franchisenehmern erhoben wurden – BGH, Urteil vom 20.05.2003, Az.: KZR 19/02; KZR 27/02 und KZR 29/02 („Apollo Optik“). Das Gericht befasste sich mit den heiklen Punkten aller Franchiseverträge: Auskehrung von Rückvergütungen, unerlaubter Preisbindung und AGB-Recht.
Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit im Franchising
Auch der Status eines Franchisenehmers als selbständig agierender Unternehmer wird regelmäßig in Frage gestellt; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2018 (Az.: VII ZR 298/17). Der juristische Disput setzte unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ein, als sich Franchising pauschal mit dem Vorwurf der Scheinselbständigkeit konfrontiert sah. Das seinerzeit größte Franchisesystem, gemessen an der Anzahl seiner Franchisenehmer, die Firma EISMANN aus Mettmann, kassierte ein systembedrohendes Verdikt (BGH Beschluss vom 04.11.1998; Aktenzeichen VIII ZB 12/98) und trat die Flucht nach vorn an. Bedrängt mit dem Vorwurf letztlich mit weisungsgebundenen Arbeitsnehmern und keinen selbständig entscheidenden Unternehmern zusammenzuarbeiten, wählte der damalige Präsident des DFV und Eismann-Geschäftsführer Udo Floto den kaiserlichen Ausweg. Binnen eines Monats wechselten 99 Prozent seiner Franchisenehmer das Rechtskleid und belieferten fortan als Handelsvertreter ihre Kunden. Der Verdacht der Scheinselbständigkeit war damit zwar vom Tisch, die Franchise-Szene aber um eine markante Marke ärmer.