Eine Razzia vom Zoll brachte das Franchise-System Engel & Völkers, dessen Ex-Vorstand Kai Enders Präsident des DFV ist, in die Schlagzeilen nicht nur des Boulevards. Nun muss wiederholt geklärt werden, was Franchise-Systeme beachten müssen, um den unterstellten Sozialbetrug zu vermeiden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Systemzentrale wurden jetzt eingestellt, gehen aber weiter.
Die Bescherung fand bei Engel & Völkers zuletzt schon einige Tage vor Weihnachten statt. Ende letzten Jahres durchsuchten gut 300 Zollbeamte und andere Ermittler die Hamburger Zentrale des noblen Maklerunternehmens in der Hafencity und weitere Standorte. Insgesamt wurden deutschlandweit 18 Objekte durchsucht. Grund der Razzia: Der Verdacht auf Scheinselbständigkeit und die Ersparnis von Sozialabgaben in Millionenhöhe. Nach der Auswertung der eingesammelten Firmeninternas steht nunmehr das Geschäftsmodell per se mit überwiegend auf selbstständiger Basis arbeitenden Maklerinnen und Maklern auf dem Prüfstand. Damit hängt nun das Damokles Schwert Scheinselbständigkeit bedrohlich nah nicht nur über den Köpfen der Vorstandsriege von Engel & Völkers sondern in der Folge über dezentral mit Partnern gestricktem Vertriebsnetz. Im aktuellen Fall zeichnet sich eine existenzgefährdende Zäsur in der eindrucksvollen Firmengeschichte ab. Der 1977 gegründete hanseatische Premium-Makler betreibt eine Makler-Plattform und ein florierendes Franchise-Geschäft, an das international in 30 Ländern rund 12.000 selbstständige Makler angeschlossen sind, deren Provisionsumsatz 2021 bei über 1,3 Milliarden Euro lag.

„Die Frage nach der Scheinselbständigkeit läuft auf die Frage nach dem Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen beziehungsweise abhängigen Beschäftigung hinaus“, erklärt der Berliner Arbeitsrechtler Dr. Martin Hensche. „Wer sich als selbständig ansieht und daher für seine Tätigkeit gegenüber seinem Auftraggeber als freier Mitarbeiter Rechnungen stellt, ist scheinselbständig, wenn seine Arbeit die Voraussetzungen einer sozialversicherungspflichtigen bzw. abhängigen Beschäftigung erfüllt. Wie es bei Engel & Völkers um die Rechtssicherheit steht, erläutert die Sprecherin Kirsten Best-Werbunat: „Grundsätzlich ist die Tätigkeit von selbständigen Immobilienmaklern bei Engel & Völkers und den Lizenznehmern in der Vergangenheit mehrfach juristisch geprüft und bisher nach unserer Kenntnis nicht beanstandet worden.“
Ermittlungen begannen in Bielefeld
Die akuten Ermittlungen löste die Engel & Völkers-Geschäftsstelle Bielefeld aus, die sieben Angestellte beschäftigt. Der Anwalt der Bielefelder Geschäftsführung, Carsten Thiel von Herff, sagte dem Hessischen Rundfunk, es gehe um vorgeworfene Scheinselbständigkeit „in nur sehr wenigen Fällen und für einen kurzen Zeitraum“. Das Statement gemahnt an das Pfeifen im Wald. Während Zoll und Staatsanwaltschaften ausdrücklich von mehreren Unternehmen sprechen und landesweit durchsucht haben, ist die Hamburger Engel & Völkers- Zentrale offensichtlich bemüht, den Fall als klein darzustellen: Es gehe nur um einen Lizenznehmer. Auf Nachfrage sagte Sprecherin Best-Werbunat: „Eine derart umfängliche Untersuchung ist bei Verdachtsmomenten dieser Art nicht unüblich“. Doch inzwischen erhärtet sich offenbar der anfängliche Verdacht und von einem Einzelfall ist wohl nicht mehr die Rede.
„Scheinselbstständigkeit? Vorwürfe verdichten sich“, titelte das Handelsblatt am 23. März 2025 und berichtete: „Die Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls und der Staatsanwaltschaft richten sich auch gegen Top-Manager des Unternehmens. Es geht um eine Grundsatzfrage.“ Nach einem Bericht des Manager Magazins (mm) hatte sich der für die Razzia ausschlaggebende Anfangsverdacht teils verdichtet. So standen ursprünglich zehn Personen auf der Beschuldigtenliste, darunter auch Manager der obersten Führungsriege. Bis zur endgültigen Klärung gilt natürlich die Unschuldsvermutung und in einigen Fällen wurde das Ermittlungsverfahren bereits wieder eingestellt.
Die Causa Engel & Völkers offenbart ein Dilemma im Franchising. Mit der stringenten Umsetzung ihrer Geschäftsidee geben Franchisegeber verbindliche Regularien vor, die im konkreten Fall eines Franchisenehmers im Vertrieb in der Praxis dem Status von Angestellten mit allen Limitierungen ähneln können. Welche Kriterien über den arbeitsrechtlichen Status entscheiden, hat die IHK München und Oberbayern in allen Details in einem ihrer Merkblätter notiert (siehe Kasten)
Der Fall Eismann gibt zu denken
Juristisch ist das Thema Scheinselbständigkeit allerdings ein alter Hut. Rechtsgeschichte schrieb einst das damals führende Franchise-System EISMANN aus Mettmann. Brisanz gewann Ende der 90ziger Jahre die rechtlich umstrittene Einordnung der Verkaufsfahrer als selbständige Franchisenehmer oder doch als Quasi-Festangestellte dadurch, dass EISMANN-Chef Udo Floto zugleich Präsident des Deutschen Franchiseverbandes (DFV) war. Nach dem letztinstanzlichen Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe zog er die Konsequenzen. Sein Amt als Präsident gab er vor der Zeit ab und wandelte in einer Hauruck-Aktion das Franchise-System in einen Verbund von Handelsvertretern um.
Was DFV-Präsident Enders umtreibt

Das Politikum DFV-Präsidentschaft und Scheinselbständigkeit wiederholt sich nun im Fall Engel & Völkers. Für seine erste Wahl-Periode kandierte Kai Enders (Jg. 1965) noch als Vorstandsmitglied verantwortlich für die DACH-Region, Deutschland, Österreich und Schweiz des Hamburger Nobelmaklers. Nach seiner Wiederwahl wechselte er aber 2024 als Senior Advisor für Deutschland zum Softwarehaus Singu. Der Anbieter von EDV-Lösungen für die Gebäudesicherheitsinfrastruktur und für die Verwaltung aller Aspekte des Immobilienbetriebs, stammt aus Krakau in Polen ist seit 2009 aktiv. Im deutschen Markt ist der Anbieter seit 2023 aktiv. Es bedient nach eigenen Angaben mehr als 350 Firmenkunden in über 30 Ländern, die mehr als eine Milliarde Quadratmeter an Immobilien abdecken. Seit Anfang des Jahres 2025 verstärkt Kai Enders zudem als neues Beiratsmitglied das Board der PlanetHome Group GmbH. Mit seiner langjährigen Erfahrung in der Immobilienbranche und der strategischen Beratung bringt er seine Expertise nun bei einem der führenden Immobiliendienstleister in Deutschland ein, ließ Enders verkünden.
„PlanetHome verfügt über ein großes Netzwerk aus Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern, aus dem im letzten Jahr knapp 5000 verkaufte Immobilien hervorgingen. Ich bin beeindruckt von dieser Leistung und freue mich auf meine neue Aufgabe, das Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln,“ so Kai Enders über seine neue Position.
Kein Problem für den DFV ?
Bei seinem Ex-Arbeitsgeber Engel & Völkers, bei dem er 13 Jahre tätig war, geht es womöglich jetzt um alles oder nichts. Das Getöse rund um den Edel-Makler dürfte kaum verkaufsfördernd wirken und geschieht sicher nicht zur Freude der Anteilseigner. Seit 2021 ist der britische Finanzinvestor Permira zu 60 Prozent beteiligt. Für 400 Millionen Euro übernahm er die Geschäftsanteile, Minderheitsgesellschafter ist nun Christian Völkers und einige der Top-Manager, die nun den Strauß mit dem Zoll ausfechten müssen. Doch das muss den Ex-Vorstand von Engel &Völkers nicht mehr kümmern, wohl aber den DFV-Präsidenten, der um das Image des Franchisings in Deutschland besorgt sein sollte. „Ein Statement zur Causa „Engel & Völkers“ geben wir nicht ab“, so Antje Katrin Piel, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DFV. Und sieht es weiter so: „Die Scheinselbstständigkeit ist per se kein franchisespezifisches Thema und ist insofern auch nicht systemimmanent. Franchisenehmer handeln als eigenständige Unternehmer und entscheiden selbst über ihre Personalstruktur.“
DFV-Pressesprecherin Antje –Katrin Piel wiegelt jedoch ab: „Die Scheinselbstständigkeit ist per se kein franchisespezifisches Thema und ist insofern auch nicht systemimmanent. Franchisenehmer handeln als eigenständige Unternehmer und entscheiden selbst über ihre Personalstruktur. Zwar kann es in Einzelfällen zu Scheinselbstständigkeit kommen – etwa, wenn freie Mitarbeiter wie fest angestellte behandelt werden – doch handelt es sich hierbei nicht um ein strukturelles Problem im Franchising. Eine überdurchschnittliche Häufung solcher Fälle ist nicht erkennbar. Um möglichen Risiken vorzubeugen, setzen viele Franchisesysteme auf klare Regelwerke, umfassende Informationen und rechtliche Unterstützung für ihre Partner. Standardisierte Prozesse und ein hoher Grad an Rechtsverbindlichkeit tragen dazu bei, dass gesetzliche Vorgaben eingehalten und Beschäftigungsverhältnisse rechtssicher gestaltet werden – häufig sogar verlässlicher als in unabhängigen Einzelunternehmen.“
P.S.: Sturm im Wasserglas?
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld stellte jetzt per 2. April 2025 ihre Ermittlungen gegen Deutschlands größtes Makler-Franchise-System Engel & Völkers ein. „Der Verdacht, dass ein System von Scheinselbständigkeit durch die Franchisegeberin vorgegeben oder gefördert wurde, hat sich nach umfangreichen Ermittlungen nicht bestätigt“, sagt Oberstaatsanwalt Carsten Nowak. Das Thema ist damit für die Franchise-Community aber noch längst nicht vom Tisch. Einzelne selbständige Filialen respektive Franchisenehmer werden weiterhin überprüft. „Die Untersuchungen gegen einzelne Lizenznehmer im Netzwerk wegen des Verdachts der Beschäftigung von Scheinselbstständigen laufen zunächst weiter“, so Oberstaatsanwalt Nowak.