Tourismusriese TUI trotzt der Krise

TUI-Chef Friedrich Jussen

Die gesamte touristische Wertschöpfungskette findet sich unter dem Dach des in Hannover domizilierenden Touristik-Konzerns:18 Kreuzfahrtschiffe, über 400 eigene Hotels, fünf Airlines mit rund 150 Flugzeugen, 1.600 Reisebüros auf Franchise-Basis in allen angesagten Urlaubsländern rund um den Globus und 180 Destinationen machen TUI zum weltweit führenden Reisekonzern. Auch in der Krise schreibt der erste Mann bei TUI, Friedrich Joussen, am nächsten Kapitel der Erfolgsgeschichte: „Für 2020 werden wir den Urlaub auch neu erfinden: Neue Ziele, veränderte Reisezeiträume, neue Angebote vor Ort, mehr Digitalisierung.“ Doch zunächst drückt er auf die Sparbremse.

Im Geschäftsjahr 2019 erwirtschaftete TUI mit rund 70.000 Mitarbeitern noch einen Umsatz von rund 19 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis von 893 Millionen Euro. Bis dahin bot der Konzern rund 27 Millionen Gästen jährlich unbeschwerte Ferien in 180 Zielgebieten der Erde bieten. Bis das Virus kam. Derzeit stehen alle Räder still und die Schiffe liegen im Hafen – die Mannschaften unter Quarantäne an Bord. Das TUI-Topmanagement unter Führung von Fritz Joussen handelte blitzschnell und beantragte einen KfW-Überbrückungskredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Damit sollte der geschäftliche Absturz in Folge der Pandemie abgefedert werden, bis der normale Geschäftsbetrieb wiederaufgenommen werden kann. Die Bundesregierung genehmigte prompt den Kredit am 27. März. Am 8. April gaben auch die Hausbanken von TUI gaben umgehend grünes Licht. Zum 10. Mai 2020 verfügte der Konzern über Finanzmittel und verfügbare Kreditfazilitäten in Höhe von ca. 2,1 Milliarden Euro.

8.000 Stellen stehen zur Disposition

Seit 2013 ist Friedrich Joussen (Jahrgang 1963) Konzernlenker bei TUI, zuvor war er Vorsitzender des Vorstandes der Vodafone AG & Co. KG mit Sitz in Düsseldorf. Der mit einem Vertrag bis Herbst 2025 ausgestattete Topmanager kündigte nun einen rigorosen Kostensparplan an. Denn laut Joussen soll „TUI gestärkt aus der Krise hervorgehen. Aber sie wird eine andere TUI sein und ein anderes Marktumfeld vorfinden als vor der Pandemie. Das macht Einschnitte erforderlich: bei Investitionen, bei Kosten, unserer Größe und unserer Präsenz in aller Welt. Wir müssen schlanker sein als vorher, effizienter, schneller und digitaler. Unsere so genannten Overhead-Kosten wollen wir dauerhaft über den gesamten Konzern um 30 Prozent reduzieren. Weltweit wird das Auswirkungen auf rund 8.000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen. Damit wir auch nach der Krise zur erfolgreichen Entwicklung der vergangenen Jahre zurückfinden, müssen wir die Neuaufstellung jetzt zügig umsetzen.“

Fritz Joussen, Vorstandsvorsitzender TUI Group, hofft parallel zur selbst verordneten Rosskur auf einen baldigen Restart und vertraut auf die Vorteile einer durchorganisierten Ferienreise: „Mit der Vertrauensmarke TUI bieten wir Sicherheit, Betreuung vor Ort und garantieren in besonderen Situationen die Rückreise nach Hause. Gemeinsam mit den Destinationen und unseren Partnern haben wir umfangreiche Maßnahmen zum Schutz unserer Gäste erarbeitet. Die Nachfrage nach Urlaub ist weiterhin sehr groß. Die Menschen wollen reisen.“

Aufgrund der andauernden Pandemie und der weiter bestehenden weltweiten Reisebeschränkungen sieht der Vorstand jedoch unter den gegenwärtigen Umständen auch davon ab, eine neue Prognose für das Geschäftsjahr 2020 abzugeben. Derzeit ist das Sommerprogramm 2020 erst zu 35 Prozent gebucht. TUI-Boss Joussen wartet jedoch nur darauf, wieder mit seinen Franchise-Partnern loszulegen: „Unser integriertes Geschäftsmodell erlaubt es uns, sofort die Reiseaktivitäten aufzunehmen, sobald dies wieder möglich ist. Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern.“

INFO: Franchising by TUI

Die TUI Deutschland GmbH zählt rund 1.070 Franchise- und Kooperationspartner, die André Repschinski, Leiter Expansion und Operations Franchise, mit seinem Team betreut. Damit ist TUI die größten Reisebüro-Franchise-Organisation Deutschlands, die unter den Marken TUI ReiseCenter, Hapag-Lloyd Reisebüro, FIRST REISEBÜRO und FIRST Business Travel auf dem Markt präsent ist. Das klassische Franchise-System, das sich anfangs aus schon bestehenden Reisebüros rekrutierte, wurde ab 2012 zu einem Betreibermodell fortentwickelt. Wobei TUI die Standorte auswählt und die Mietverhandlungen führt. Von da an rücken Existenzgründer in den Fokus, die unter der Marke TUI agieren, worauf zukünftige „TUI mein Shop“-Partner mit einem eigens entwickelten, mehrstufigen Schulungs- und Qualifikationsprogramm vorbereitet werden. Dies beinhaltet neben Systemschulungen auch ein Gründer-Coaching, in dem alle notwendigen rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen vermittelt werden. „Erfolgsfaktor dieses weiterentwickelten Betreibermodells ist das Schaffen einer echten Win-Win-Situation. Der Betreiber kümmert sich allein um das, was Wert schöpft: Verkauf, lokales Marketing und Kundenbeziehungsmanagement. Den Rest macht die TUI“, erklärt André Repschinski, ein aussichtsreicher Kandidat für den AWARD Franchise-Manager des Jahres 2020.

HISTORIE: Geburt eines Giganten

Der Branchenprimus im Tourismus-Business gründet auf einem traditionellen Industrieunternehmen: Preussag AG. Die Preussag wurde 1923 als „Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft“ gegründet, wurde aber unter der Kurzform „Preussag“ bekannt. Das neue Unternehmen verwaltete die Bergwerke und Eisenhütten des Preußischen Staates in Niedersachsen, der Saar und Oberschlesien. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlegte das Unternehmen seinen Sitz nach Hannover und wurde 1959 als erster Staatsbetrieb privatisiert. Seit dem Amtsantritt von Michael Frenzel 1994 wandelte sich die Preussag durch gezielte Zukäufe zum Tourismus-Konzern, der sich 2002 in TUI AG umbenennt. 1997 erwirbt das Unternehmen einen der führenden deutschen Touristikanbieter, Hapag-Lloyd. Ein Jahr später ergänzt der Konzern sein Portfolio mit dem Kauf der Touristik Union International GmbH & Co KG, der ab 2002 als TUI AG firmierenden neuen Reise-Riesen. 2007 fusioniert die Touristiksparte der TUI AG, mit Ausnahme des Hotel- und Kreuzfahrtgeschäftes, mit First Choice Holidays PLC, ein in Großbritannien börsennotierte Unternehmen, das 1973 gegründet wurde. So entsteht die in London börsennotierte TUI Travel PLC, an der die TUI AG 54 Prozent der Anteile hält.

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