TUI-Chef Joussen macht sich vom Deck

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Friedrich Joussen hört zum 30. September beim führenden Reisekonzern TUI aus Hannover auf. Der Finanz-Vorstand Sebastian Ebel rückt auf.

Joussen, dessen Vertrag noch bis September 2025 gelaufen wäre, hatte immer wieder betont, dass er selbst bestimmt, wann er ausscheidet – die Ankündigung kommt daher wenig überraschend. Doch die am 28. Februar verhängten EU-Sanktionen gegen russische Oligarchen dürften seinen Entscheidungsprozess beschleunigt habe. Denn mit rund 30 Prozent am Aktienkapital ist Alexej Alexandrowitsch Mordaschow Großaktionär von TUI. Somit wirft der EU-Bannstrahl einen Schatten auf die noch längst nicht in trockenen Tüchern befindliche Sanierung des Franchise-Reisekonzerns.

Welche Herausforderungen der designierte TUI-CEO Ebel meistern muss, analysierte das HANDELSBLATT am 24. Juni mit diesem Hintergrund: „Als Joussen 2013 in der Zentrale in Hannover anfing, formte er aus dem Mutterkonzern TUI AG und der damaligen britischen TUI Travel das heutige Unternehmen. Das investierte stark in eigene Hotels und Kreuzfahrtschiffe. Das Ziel: Aus einem „Reisehändler“ sollte ein Anbieter mit eigenen Inhalten und Angeboten werden. Eine nicht ungefährliche Strategie: Sie hatte den Rivalen Thomas Cook“, gleichfalls ein Konzern mit angehängten Franchise-Vertrieb „in die Pleite getrieben. Später revidierte der Konzernchef diese Strategie. Tui müsse nicht mehr alles besitzen, um „Contentanbieter“ zu sein. Seitdem hat das Management Hotels und auch Schiffsflotten verkauft oder an Partner gegeben, hat jedoch weiter Zugriff darauf.“

Der abrupfte Abgang von Joussen ist nicht sein erster. Auch bei seinem vorherigen Arbeitgeber VODAFONE in Düsseldorf nahm er vor Vertragsende seinen Hut. Nun ist Schluss an der Leine. Die zwei Jahresgehälter des noch laufenden Vorstandsvertrages sind dem vierfachen Vater jedoch sicher und dürften den Boni-Verzicht in Folge der Staatshilfe kompensieren. Und die nächste Job-Offerte für den 59-jährigen Ingenieur aus Duisburg wird nicht lange auf sich warten lassen.

Auf Sebastian Ebel, seinen Adlatus und Jahrgangspartner seit den Vodafone-Tagen, kommt es nun knüppeldick. Seine Finanz-Expertise wie das Operative sind mehr denn je gefragt. Denn der Reiseriese war zu Beginn der Pandemie-Flaute mit 4,3 Milliarden Euro durch den Staat aufgefangen worden. Aktuell kann das Franchise-Unternehmen zwar ungenutzte Kreditlinien zurückfahren und dank des momentanen Reise-Booms auf weitere Staatshilfe verzichten. Doch die Altlast von 3,9 Milliarden Euro Schulden drückt und harrt noch der Tilgung.

Über die Misere kann der Mann im Hintergrund nur milde lächeln: Alexj Alexandrowitsch Mordaschow. Der Milliardär aus der Oligarchen-Riege von Putins Gnaden gilt als einer der Reichsten unter den Reichen. Seine Beteiligung an TUI konnte er durch ein trickreiches Manöver am 28. Februar kurz vor dem Bannstrahl der EU-Sanktionen sichern. Den Zugriff der italienischen Polizei auf die „nur“ 65 Millionen Euro teure Jacht “Lady M” am 4. März in der ligurischen Hafenstadt Imperia ließ sich aber nicht vermeiden, doch diesen Verlust kann ein Oligarch verschmerzen. Seine rund 500-Millionen-Dollar teure zweite Yacht „Nord“ ging zuletzt in Victoria, der Hauptstadt der Seychellen vor Anker. Eine der Top-Destinationen aus dem TUI-Reisekatalog.

INFO

TUI-Franchise

Zum 1991 gestarteten Franchising der TUI Deutschland GmbH zählen rund 1.070 Franchise- und Kooperationspartner. Damit ist die TUI Deutschland Heimat der größten Reisebüro-Franchise-Organisation Deutschlands, in der die Aktivitäten der stationären Reisebüros des Eigenvertriebs der TUI gebündelt sind und die unter den Marken TUI ReiseCenter, Hapag-Lloyd Reisebüro, FIRST REISEBÜRO und FIRST Business Travel auftreten.

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