Franchise-Wirtschaft im Stress-Test

Franchise-Branchen 2019

Teil 6

Die Franchisenehmer in Handel, Gastronomie, Freizeit und Touristik erwischte die Corona-Krise eiskalt. Das finanzielle Polster vieler Franchisenehmer ist dünn und in den Franchise-Zentralen grassiert die Angst vor einem Domino-Effekt – welche Branchen besonders gefährdet sind, ein erster Überblick im sechsten Teil unserer Berichterstattung.

Matthias H. Lehner, Gründer und CEO der Fitness-Kette Bodystreet bangt um sein rasch und erfolgreich aufgebautes Lebenswerk: Die beiden Franchise-Betriebe in Norditalien sind bereits Pleite und der Pilotladen in den USA hat geschlossen – auch in Deutschland trifft der „Shutdown“ die Fitnesskette ebenso wie Frisöre, Massagesalons oder Tätowier-Studios. Angesichts der desolaten Situation räsoniert Lehner, der sich als Vize-Präsident und Vorstand im Deutschen Franchise Verbandes (DFV) engagiert hat, „beim Franchising verhält es sich so wie beim Domino-Spiel, fällt ein Stein kippen nacheinander alle anderen um.“ Jede Pleite und / oder Zwangsschließung mindert den ansonsten kontinuierlich fließenden Strom der vom Umsatz fälligen Franchise-Gebühren womit sich wiederum die Franchise-Zentrale refinanziert.

Zudem fehlen jetzt womöglich Mieteinnahme, falls der Franchisegeber die Standorte selbst angemietet und dann wiederum untervermietet hat. Auch bei diesem Modell kommen die zu Ultimo fälligen Zahlungen nun ins Stocken.

In einem geschlossenen Franchise-Betrieb laufen Miete und Nebenkosten und für das möglichweisen noch nicht in die Kurzarbeit entlassene Personal weiter. Auch der Verbrauch an Hilfsmaterialien und der Wareneinsatz in toto mindert sich gleichermaßen. Damit ist wiederum die Franchise-Zentrale gekniffen. Etwaige Kick Backs für die Sammelbestellungen via Franchise-Zentrale schmälern sich oder fallen ganz unter den Tisch. Die Malaise ist komplett und auf das Prinzip Hoffnung – Alles wird nach dem EXIT wieder gut – dürfte sich die Hausbank des Franchisegebers auch nicht einschwören lassen. In den Augen der Banker zählen nur Fakten und Zahlen – Rettungsschirm hin oder her.

Die rund 960 Franchise-Systeme spiegeln das breite Spektrum der wirtschaftlichen Betätigung wieder und fallen vielfach die Kategorie KMU, also klein- und mittlere Betriebe. Gleichzeitig wächst aber die Anzahl jener Systeme, die eine Sub-Marke in einem internationalen Franchise-Unternehmen sind oder auf Zeit von einer der sich in den letzten fünf Jahren verstärkt im Franchising umschauenden Private Equity-Firmen.

In der Krise stellt sich somit die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Branche und die des jeweiligen Franchise-Systems, dessen Standing die eines unterkapitalisierten Mittelständlers oder eines kapitalstarken Franchise-Multis entsprechen kann. Somit trennt bereits in der Risikoanalyse zu prolongierenden Engagements die Spreu vom Weizen.

II

Gastronomie, Touristik und Freizeit zählen derzeit ganz und selbst in guten Zeiten insbesondere die gastronomischen Betriebe zu den Kreditengagements mit dem höchsten Risikoaufschlag nach der Chancen-Analyse eines nüchtern prüfenden Bankers. Die Ausnahme bildete allerdings durchweg die an den Top-Standorten dominierenden Systemgastronomie. Deren Franchisenehmer konnten sich bislang als Besitzer einer Geldruckmaschine verstehen und wurden dementsprechend hofiert. Nun auch hier das Erwachen: Vapiano – der Shootingstar in der Gastronomie mit weltweit über 230 Restaurants davon ein Drittel in Deutschland – steht vor dem Aus, das Unternehmen musste Insolvenz anmelden.

Die Vapino SE wurde Mitte März zahlungsunfähig und hofft auf einen Kredit vom Staat in Höhe von rund 14 Millionen Euro. Die Vapiano SE vereint aber nicht die Summe aller Vapino-Restaurants in Deutschland, sondern nur die, die in Eigenregie des Kölner Unternehmens betrieben werden.

„Wir als Vapiano-Lizenznehmer sind selbständig agierende Unternehmer. Wir führen unsere Restaurants eigenständig und unabhängig von der Vapiano SE. Mit deren Zahlungsunfähigkeit haben wir nichts zu tun“, sagt Jörg Ritter, selbst Vapiano Restaurantbetreiber in Aachen und Vorstandsmitglied der DEVA (Vereinigte Deutsche Vapiano Partner e.V.), die die Interessen der deutschen Vapiano-Franchisenehmer mit ihren 29 Restaurants in 25 deutschen Städten vertritt. Den größten Batzen – 47 Prozent der Vapiano SE – hält die Mayfair SE. Dahinter steht das Family Office der Familie Herz – die Tchibo-Erben aus Hamburg.

Der Name Vapiano ist so oder so lädiert und auch ein zweiter Restaurant-Betreiber aus Hamburg mit bisher untadeligen Ruf geriet in die Bredouille: Auf Vapianos Zahlungsunfähigkeit folgt Maredo. Die von Eugen Block gleichfalls wie Vapiano in der Hansestadt gegründete Steakrestaurantkette ist nun das zweite prominente Opfer der Corona-Krise. Das ist erst der Anfang: Die Virus-Krise mutiert zur Wirtschaftskrise und bedroht die Existenz vieler Gastronomen, die nicht alle überleben, falls kein Wunder geschieht. Die Rettungsschirme des Bundes und der Länder aber auch die Hilfe der Vermieter könnten den Aufprall bremsen. Denn es geht durchaus noch was.

Eine kurzfristig greifende Lösung suchte und fand die Bahn für ihre Untermieter in den Bahnhöfen. „Die Mietzahlungen für den Monat April haben wir vorerst gestundet“, sagt Horst Mutsch, Leiter Vermietung bei DB Station & Service in Berlin. Fällig ist die Aprilmiete für die Gastronomen an Bahnhofsstandorten erst im Juli. Darüber dürfen sich u. a. die Franchisenehmer von Ditsch, BackWerk, Nordsee, Kamps oder McDonalds freuen.

Lufthansa am Boden

Besonders Restaurants, kleine Einzelhändler und Touristikunternehmen werden in den kommenden Wochen vor der Zahlungsunfähigkeit stehen, sofern die staatlichen Hilfen nicht rechtzeitig ankommen. Auch das Reiseunternehmen TUI mit seinen Partner-Büros auf Franchise-Basis, kämpft um die eigene Existenz und hat dementsprechend bereits Hilfe durch den Bund beantragt. Sollte die nötige Unterstützung nicht zeitnah beigesteuert werden, droht auch diesem Unternehmen die vollkommene Zahlungsunfähigkeit

Vor allem die Luftfahrtbranche steckt tief in der Krise. Ohne staatliche Hilfe könne das Unternehmen die Krise nicht bewältigen, kommentiert Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Interview mit der Tagesschau. Lufthansa musste den Betrieb drastisch runterfahren, ähnlich geht es der gesamten Branche. Experten rechnen mit Umsatzeinbußen bis zu 80 Prozent. Momentan gehen gerade noch 65 Flugzeuge der gesamten Flotten von 765 Fliegern täglich in die Luft, ein Flugplan wie zuletzt im Jahr 1955.

Weit weniger bekannt ist das Reisebüro-Netz der Airline, die auf staatliche Hilfe in Milliardenhöhe setzen kann, LCC. Die Lufthansa City Center werden von Franchisenehmern betrieben, rund 650 in 90 Ländern an der ZahlInternational mit einem Gruppenumsatz von über 6 Milliarden Euro, davon werden ein Drittel in Deutschland mit rund 1,5 Millionen Reisenden erzielt. Das ist nun erstmal vorbei. Die Mitarbeiter drehen Daumen und den Franchisenehmern geht die Muffe.

Im Freizeit- bzw. Fitness-Sektor sind die Karten unterschiedlich gemischt. Mrs Sporty, die exklusiv für Frauen zugängliche Trainingskette aus dem Portefeuille der Tennis Legende Steffi Graf und Andre Agassi, dürfte die notwendige Puste haben. Strauchelt dennoch eine Franchise-Partner dürfte sich selbst in Krisen-Zeiten schnell ein Nachfolger / in finden. Die Masse der in diesem Segment tätigen Franchisenehmer steht jedoch in der Betrachtungsweise der Kreditgeber nicht pauschal auf der sicheren Seite.

III

Völlig düster sieht es im stationären Einzelhandel aus, dem knapp ein Drittel (29 Prozent) aller Franchise-Systeme zuzurechnen sind. Die vielen Kundenmagneten hat geschlossen. Unter den Immobilien-Besitzern überragen zwei alle andere: Rene´ Benco, dem frisch gekrönten Warenhaus-König aus Tirol, dem mit Karstadt und Kaufhof die besten City-Lagen gehören sowie die im Familienbesitz des legendären Gründers des Otto Versandes Werner Otto befindliche ECE Projektmanagement, die seit 1965 hauptsächlich in Europa Einkaufszentren und andere Immobilien besitzt oder im Auftrag verwaltet. Die ECE besitzt selbst keine Center, aber die Familie Otto ist selbst oder über Dritte als Investor aktiv. Als Eigentümer der Otto Group, der ECE, der kanadischen Park Property sowie als Miteigentümer der nordamerikanischen Paramount Group, Inc. Verfügen die Hanseaten über eine starke eigene Finanzkraft.

Gleichwohl wiegelte ECE-Sprecher Lukas Nemela im Gespräch mit FOOD SERVICE ab: „Wir verstehen die Sorgen der Mieter sehr gut, da sie natürlich ganz besonders stark von den aktuellen Beschränkungen im Einzelhandel betroffen sind. Da die ECE die Center im Auftrag der jeweiligen Eigentümer betreibt und vermietet, kann sie nicht selbst über mögliche unterstützende Maßnahmen – gleich welcher Form – entscheiden. Deshalb stehen wir zurzeit im engen Austausch mit den verschiedenen Eigentümern unserer Center, um gemeinsam Lösungen zu finden, wie die Mieter in dieser herausfordernden Lage unterstützt werden können. Dabei orientieren wir uns an den Maßgaben der Bundesregierung. Sobald Ergebnisse aus der Abstimmung mit den Investoren vorliegen, werden wir unsere Mieter darüber informieren.“

Im EKZ oder auf den Top-Einkaufsmeilen müssen vor allem Franchise-Systeme wie Quick-Schuh oder die Fashion-Shops von Boss, gleichfalls ein international aufgestelltes Franchise-System, bangen. Beide Branchen zählen nach Einschätzung von Stefan Genth, dem Chef-Lobbyisten des deutschen Einzelhandels, zu den am stärksten gefährdeten. Die auf Laufkundschaft zählende Textilhandel ist mit etlichen Franchise-Systemen wie Boss, Marc O Polo oder Lizenzsysteme a la Benetton dabei.

Nahezu alle stationären-Ketten haben parallel zwar einen Online-Vertrieb, der aber in Sachen Mode offenbar nicht den Umsatzschwund der nicht mehr zum Shoppen in die Cities kommenden Flaneure kompensieren kann. Selbst Europas größter Online-Modehändler Zalando hat derzeit zu kämpfen. Die Erklärung für das scheinbare Paradoxon liefert Wolfgang Gruppe, der Chef des Freizeitmode-Fabrikanten Trigema, der allabendlich im TV-Spot mit dem Affen zu sehen ist: „Wenn ich nur noch zu Hause bin, kann ich aus dem Kleiderschrank leben. Da brauche ich keine neuen Sachen.“

Fachgeschäfte mit vielen Stammkunden wie etwa vom Fass mit über 300 Franchise-Läden in Europa, USA und Fernost oder Barrique dürfen gleichfalls weder Wein noch Schnaps frisch vom Fass zapfen. Ihr Vorteil: Alkohol hat kein Verfalldatum. Und der Online-Kanal ist längst aktiv. Gut aufgestellt stationär wie im Netz ist auch TeeGschwender. Die Laden-Betreiber gehören dennoch zu den ersten Krisenopfern haben aber eine reelle Chance nach dem Exit durchzustarten, falls das Finanzpolster dick genug und staatliche Zuschüsse zügig ausgezahlt werden.

Spezialisten wie etwa, ein familiengeführtes Franchise-System BabyOne feierten gerade ein Rekordjahr mit 235 Millionen Euro Gruppenumsatz. Die als Nachfolger angetretenen Gründer-Kinder Anne und Jan Welscher stehen nun vor der größten Krise der Firmengeschichte und dürfen allerdings fest auf die Zielgruppe junger Mütter und Väter bauen.

Gut aufgestellt als Spezialist für Gase ist die Franchise-Tochter der LINDE AG mit Sitz in Dublin, deren Franchisenehmer von Gas and More allenfalls mit Einbußen aus der womöglich ausfallenden Grill-Saison rechnen müssen.

Die Branchenbeispiele lassen sich belieb mehren, fest steht doch eines: Die CORONA- Krise verschont abseits der Super- und Drogerie-Märkte alle Branchen – viele m ehr einige weniger. Die Konsumlaune ist in jedem Fall getrübt und wenn der „Shutdown“ länger als drei Monate aufrechterhalten werden muss, rutscht Deutschlands Wirtschaft in eine Rezession und die Abnehmerländer des Export-Weltmeisters ebenso – zur ökologischen kämen dann die ökonomische Krise global. Falls es aber bei einer Umsatz-Delle bleibt, kann die Erfolgsgeschichte auch der Franchisenehmer fortgeschrieben werden. Die Franchise-Marken im Handel sind in den Köpfen der Konsumenten fest verankert und die Standorte sind sorgfältig ausgesucht.

Der reine E-Commerce ist tot

Aus der Krise lassen sich schon jetzt Rückschlüsse für die nahe Zukunft schließen. Allen Kostendruck zum Trotz wagt die britische Handels-Analystin Natalie Berg eine mutige Prognose: „Der reine E-Commerce ist tot. Die Zukunft liegt in den Läden“. Die Gründerin der Handelsberatung NBK Retail aus London und Autorin eines Buchs über Amazons Strategie stellt fest. „Die Kunden wollen etwas anfassen können“, sagt sie. Wenn sie etwa Amazons smarte Lautsprecher Echo oder Sicherheitskameras des 2018 übernommenen Start-ups Ring im Laden ausprobieren könnten, seien Kunden eher geneigt, diese auch zu kaufen. Das wird der Virus nicht ändern, Menschen sind und bleiben soziale Wesen und Shopping zählt zum Life-Style, ist das neue Freizeitvergnügen.

IV

Das Handwerk bildet zwar statistisch das Schlusslicht im Branchenspektrum des Franchisings doch erwartet diese Systeme überwiegend Licht am Ende des Tunnels. Dazu zählen etliche seit Dekaden erfolgreiche Akteure wie: PORTAS, Apollo Optik, Plamenco, ISOTEC, Automeister, Premio Reifen + Autoservice oder Town & Country Haus. Jürgen Dawo, der Gründer des auf Errichtung von Einfamilienhäusern in Massivbauweise konzentrierten Franchise-System hat schon manche Krise in dieser wohl größten aber auch wildesten Branche gemeistert. In Null-komm-Nichts hat er rund 80 Schulungstage für seine bauenden und verkaufenden Franchisenehmer ins Netz gestellt und die Kommunikation völlig unabhängig vom derzeit geltenden „Versammlungsverbot“ gemacht. Zudem hat er den Kostenblock um 1 Million Euro im ersten Lauf gestutzt. „Im Krisen-Modus fühlte ich mich wohl“, erklärt der Firmengründer, den Blick nach vorn voller Optimismus gerichtet.

V

Der Dienstleistungssektor ist mit 40 Prozent Branchen-Primus im Franchising. Marken wie Schülerhilfe, Studienkreis, Home Instead, PROMEDIA, Logatec, Rainbow oder PIRTEK sind nur einige der vielen Franchise-Systeme, welche die Branche mit Zukunft repräsentiert. Genauso wie es einst Knut S. Pauli prognostizierte, der bei der Vorbereitung einer TV-Sendung zum Thema Franchising beim Kölner Sender WDR darüber in Disput mit Hans Lang, einem vormaligen DFV-Geschäftsführer geriet, der partout Franchising als die Domäne des Handels reklamierte. Von den Fakten überholt, ist die Franchise-Wirtschaft gut gewappnet.

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