Die Franchise-Marke Mobilcom ist eng mit ihrem Gründer Gerhard Schmid Verbunden. Nun streicht die Muttergesellschaft Freenet AG mobilcom-debitel ganz aus ihrem Marken-Portfolio. Die Umflaggaktion der über 500 Franchise-Shops kostet Millionen. Ein Rück- und Ausblick auf die Achterbahnfahrt des Namenspaten: Manfred Schmid.
Gerhard Schmid gab mit 38 Jahren seinen gut dotierten Posten im Vorstand beim Autovermieter Sixt auf und gründete 1991 mit einer Mitarbeiterin und einer Mobilfunklizenz in Schleswig-Holstein die Mobilcom AG. Der erfahrene Manager formte in wenigen Jahren aus einem Nischenanbieter einen Börsenstar. 1997 ging Mobilcom als eines der ersten Unternehmen an den Neuen Markt – das Technologie-Börsensegment der Frankfurter Börse. Der erste Kurs der Aktie lag 52 Prozent über dem Ausgabepreis. Auf dem Papier waren Schmid’s Anteile an Mobilcom zu besten Zeiten sieben Milliarden Euro wert.
Doch 2002 endete die Erfolgsstory abrupt: Schmid verlor den Chefposten, sein Aktienpaket und später sein Vermögen, 2003 meldete er Privatinsolvenz an. Viele Jahre lang stand er als Kläger und Angeklagter mit den Mobilcom-Käufern und Insolvenzverwaltern vor Gericht, erst 2015 wurde das letzte Verfahren abgeschlossen. Der ehemalige Sportsprofi besann sich auf seine mentale Stärke und läutete geschäftlich sein Comeback ein. Seit 2016 ist er selbstständiger Berater für Start-ups und Gründer der Firma BaaS.Business, die sich mit Dienstleistungen um die virtuelle Währung Blockchain rankt. Wieder einmal Neuland, wie einst der Handy-Markt.
Makellose Karriere im Management
Der zeitweise Aufstieg in den Olymp der Superreichen war dem genialen Gründer nicht in die Wiege gelegt. Schmid wurde mit einem Plastiklöffel im Mund geboren. Der Sohn eines Maurers und einer Hausfrau aus dem fränkischen Selb absolvierte er zunächst eine kaufmännische Lehre und studierte anschließend Betriebswirtschaft an den nahe gelegenen Universitäten Nürnberg/ Erlangen und Regensburg. Das Studium finanzierte er selbst als passionierter Eishockey-Profi in Bayreuth.
Nach dem Examen startete er eine berufliche Karriere zunächst ganz klassisch als Vorstandsassistent bei der Porzellanfabrik Hutschenreuther in seiner Heimatstadt Selb. Danach wechselte er als Geschäftsführer zum Ostseebad Damp und gelangte schließlich auf den Vorstandssessel bei Sixt, verantwortlich für Marketing und Vertrieb. Von Erich Sixt übernahm er dessen Faible für provokante Werbung, aber auch für Franchising, das sich bei Mobilcom ab 1995 als Expansions-Vehikel bewährte. Noch zu Sixt-Zeiten referierte Gerhard Schmid auf dem alljährlich stattfinden Franchise-Tag, angesagt von Moderator Knut S. Pauli, stellte er das Sixt-Franchise-Modell vor, die Blaupause für die nachfolgende Expansion mit selbständigen lokalen Partnern bei Mobilcom.
Preisbrecher unter den Mobilfunkern
Als einer der Ersten erkannte Schmid die riesigen Chancen, die sich mit der Liberalisierung des deutschen Telefonmarkts ergaben. Kurzerhand stieg er bei Sixt aus, setzte sein vom Manager-Salär Erspartes auf eine Karte: Mobilcom; und spielte das Spiel seines Lebens – lange Zeit mit Fortune.
Clever nutzte Schmid die Leitungen der Deutschen Telekom und jagte dem Ex-Monopolisten erfolgreich Kunden ab, indem er Gespräche im Festnetz zu deutlich niedrigeren Preisen anbot. 1995 gelangte Mobilcom erstmals in der Gewinnzone, und zwei Jahre später erreichte die Firma als reiner Mobilfunk- Dienstleister mit inzwischen 300 Mitarbeitern mehr als 300 Millionen Mark Umsatz.
Um das rasante Wachstum des Unternehmens aus Büdelsdorf bei Rendsburg langfristig zu finanzieren, brachte es Schmid 1997 an die Börse. Die Emission wurde ein Publikumserfolg: Die Mobilcom-Aktie entwickelte sich bereits nach einigen Monaten zu einem Senkrechtstarter, wurde zur “Gelddruckmaschine”, so der Julius-Bär-Analyst Joeri Sels. 1998 schnellte der Umsatz explosionsartig von 323 Millionen auf 1,47 Milliarden Mark hoch.
Zweckehe mit France Télécom
Sein großer Traum, ein eigenes Handynetz aufzubauen, war nun zum Greifen nah. Denn die Bundesregierung rief im Jahr 2000 zu einem Bieterwettbewerb für die dazu erforderlichen UMTS-Lizenzen auf. Um mit zu bieten und den strategisch durchdachten Deal auch finanziell stemmen zu können, zog Schmid zuvor einen starken Partner an seine Seite, den französischen Staatskonzern France Télécom. Für 3,7 Milliarden Euro beteiligten sich die Franzosen mit 28,5 Prozent an Mobilcom und sagten zu, zehn Milliarden Euro in den Netzausbau zu investieren.
Während der französische Partner den verabredeten Geldsegen nur tröpfchenweise versprühte, drückte Schmid aufs Tempo. Die Situation eskalierte, als die Ausgaben für eine der mit 8,5 Milliarden Euro bewerteten Lizenzen zu einem gewaltigen Schuldenberg führten. Mobilcom schrieb tiefrote Zahlen, es kam zum Streit mit dem Mitgesellschafter. 2002 kündigte France Télécom die Zusammenarbeit und attackierte Schmid juristisch mit dem Vorwurf des Vertragsbruchs.
Mit Hilfe eines harten Schnitts, dem mehr als die Hälfte der 5.000 Mitarbeiter zum Opfer fiel, und mit einem Staatskredit von 100 Millionen Euro konnte Mobilcom in abgespeckter Form überleben. Aber Schmid musste seinen Chefsessel räumen und all seine Anteile verkaufen, während die Franzosen im Gegenzug 7,1 Milliarden Euro Schulden des Unternehmens übernahmen. Der private finanzielle Aderlass einschließlich teurer Trennung der Ehepartner führte geradewegs in den Ruin.
Am 11. Februar 2003 stellte Schmid beim Amtsgericht Flensburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung in dreistelliger Millionenhöhe. Das Verfahren lief noch bis in jüngster Zeit. Sein Lebenswerk lebt, von der persönlichen Malaise unberührt, indessen fort. 2007 fusionierte Mobilcom mit Freenet und ist heute Teil der Freenet-Group. Die Übernahme von Schmids’ Lebenswerk vollendet nunmehr die Namens Priorisierung: Aus mobilcom-debitel wird im Sommer 2022 Freenet.
Das Kalkül der Konzern-Strategen von Freenet liegt auf der Hand: Damit soll der Marken-Fokus auf den Mutterkonzern konzentriert werden. 7,2 Millionen Kunden zählt die freenet AG allein im Bereich Mobilfunk bereits. Längst offeriert die freenet AG mehr als Handyverträge. Neben der Produktpalette rund um Mobilfunk bietet die freenet AG auch Internet, TV–Entertainment, digitale Services und die passende Hardware an.
Per Harley durch Hamburg
Mit seiner unternehmerischen Vergangenheit hat Schmid derweil längst angeschlossen. Dem kometenhaften Aufstieg zu einem der reichsten Deutschen folgte der jähe Absturz: Pleite und Prozesse. Mental nahm Schmid sein Schicksal stets sportlich. „Wer in den Boxring steigt, kann sich eine blutige Nase holen”, räsoniert der ehemalige Profi-Sportler frei von Selbstmitleid im Gespräch mit dem Manager Magazin: „Man muss das Leben annehmen, wie es ist. Wer verbittert, geht kaputt. Ich habe immer gekämpft. Man darf nie aufgeben und muss sich immer neue Ziele setzen.”
Der Start-up-Berater Schmid lebt heute in Hamburg an der piekfeinen Elbchaussee und donnert bei schönem Wetter schon mal mit seiner Harley-Davidson durch die Hansestadt. Dieser ewige Optimist blieb sich treu, bereut nichts und muss niemanden mehr etwas beweisen.