Trübe Aussichten

Mister Minit Franchise

Mister Minit in der Bredouille: Nach der Erklärung der vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung im April 2020 hat das Amtsgericht Düsseldorf am 1. August das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Minit Service GmbH am 1. August 2020 eröffnet. Der Geschäftsbetrieb wird unter Corona-Bedingungen in Eigenverwaltung fortgeführt. Damit endet vorläufig die Erfolgsgeschichte einer Franchise-Legende.

Das Desaster beschleunigt durch die Corona-Krise ist da und die Aussichten sind trübe. Da der Geschäftsbetrieb des Franchise-Systems Mister Minit in seiner derzeitigen Struktur nicht kostendeckend aufrechterhalten werden könne, wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt. Vor diesem Hintergrund wird es zur kurzfristigen Schließung von rund 30 der 148 Filialen kommen. „Diese Maßnahme ist für den Erhalt des Unternehmens unumgänglich“, sagt der für die Eigenverwaltung in das Management berufene Sanierungsexperte Christoph Enkler von der Kanzlei Brinkmann & Partner. „Aufgrund der derzeitigen Situation in der Einzelhandelslandschaft findet die Sanierung – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Schließungen bei Karstadt/Kaufhof – in einem herausfordernden Marktumfeld statt“, gibt Sanierer Enkler zu bedenken. „Wir wissen, dass diese Situation nicht einfach ist, aber ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, eine langfristige Perspektive für die Belegschaft sicherzustellen“, hofft hingegen der erst kurz vor Antragstellung vom Franchise-Manager zum Minit Service GmbH Geschäftsführer beförderte Michael Heina.

Mit Fred um die Welt

Mister Minit mit seiner Symbolfigur „Fred“, dem Mann mit dem roten Kittel, zählt zu den Urgesteinen des modernen Franchisings auf dem alten Kontinent und galt lange Zeit als einzige Oase in der Service-Wüste Deutschland. Doch mit dem Niedergang der Warenhäuser in den Innenstädten, denn Platz für einen Minit-Shop war jahrzehntelang unter den Rolltreppen der Kundenmagneten, kam der schleichende Tod. Im Zenit der Firmengeschichte war Mister Minit In über 16 Ländern mit mehr als 1 200 Service-Shops vertreten. Zu den wichtigsten Mister Minit-Märkten nach Japan zählt Deutschland, wo es über 200 Service-Center gab. Seit 1964 firmiert das Unternehmen unter dem geschützten Markenzeichen „Mister Minit“ – das Symbol für den Schnelldienst Schlüssel und Absätze/Sohlen. In beiden Marktsegmenten galt Mister Minit hierzulande wie weltweit als Marktführer. Rund 75 Prozent des Umsatzes erzielt Mister Minit in diesen Branchen. Kontinuierlich wurde die Dienstleistungspalette ausgeweitet. Die Geschäftsphilosophie bringt der ehemalige Deutschland-Chef Andreas Berents auf den Punkt: „Top-Service auf höchstem Niveau, Spitzenqualität und Zuverlässigkeit passgenau für den individuellen Kundenwunsch.“

Auf und Ab mit der Schuh-Bar

Die Servicekette „Mister Minit“ stieg in nahezu 60 Jahren zu einer internationalen Dienstleistungsmarke auf. Nach dem Fall der Mauer in Berlin standen die ost- und südosteuropäischen Märkte im Mittelpunkt der Expansion. Seit 2004 ist Mister Minit in Moskau und seit 2006 auch in Istanbul. In Deutschland kam die Kette trotz guter Konjunktur aus dem Tritt. Der damalige Geschäftsführer Lothar Fey bewies wenig Fortune. Sein Nachfolger Andreas Berents vollzog eine ebenso erfolgreiche wie radikale Restrukturierung: von einst über 1 000 kleinen Schuh-Bars blieben rund 200 Service-Stationen übrig, wobei die Mehrzahl unter „Mister Minit“ firmiert. Nach der gelungenen Sanierung plante Mister Minit Deutschland ein stes Wachstum um 50 Service-Shops jährlich. Der Schlüssel zur schnellen Expansion lag damals wie heute in einer Kombination von fest angestellten Mitarbeitern und selbständigen Partnern als Franchise-Nehmern. Doch unter der Ägide seiner Nachfolger geriet die Expansionsplan zur Makulatur – da war von Corona noch lange nicht die Rede. Nun steht erneut ein radikaler Schrumpfkurs von 148 auf 118 Franchise-Filialen an. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, denn handfester Service hat immer noch eine Zukunft. „Nach den bislang erzielten Ergebnissen bin ich zuversichtlich, dass Mister Minit die Corona-Zeit überstehen wird und durch die in der Eigenverwaltung ergriffenen Maßnahmen erfolgreich saniert werden kann“, bewertet Dr. Gregor Bräuer von der Kanzlei hww, der als Sachwalter die Eigenverwaltung von Mister Minit im Auftrag des Amtsgerichts Düsseldorf überwacht, den bisherigen Verfahrensverlauf.

Fazit: Mister Minit geriet trotz seiner revolutionären Serviceidee und Franchising abermals in die Bredouille. Doch eines ist sicher: Manager kommen und gehen, diese Marke bleibt bestehen. Erste Adressen aus der Private-Equity-Szene haben bereits ihr Interesse an Mister Minit bekundet.

INFO

Start in Brüssel

Den Urknall der zündenden Geschäftsidee Mister Minit löste die Schuhmode aus. Denn zur Hochzeit der Pfennigabsätze dauerte die Reparatur eines abgebrochenen Absatzes beim traditionellem Schuster zehn Tage. Darüber ärgerte sich Donald Hillsdon Ryan, ein Manager bei Procter & Gamble, der mit seiner modebewussten Frau in der mit Kopfsteinen gepflasterten Altstadt von Brüssel wohnte. Immer wieder brachen die Pfennigabsätze seiner Gattin ab und der Schuster ließ sie warten. Schluss damit war exakt am 14. Juli 1957, als die erste Mister Minit „Schuh-Absatz-Bar“ im Warenhaus Au Bon Marché im Herzen der Stadt auf der Rue Neuve eröffnete. Von da an konnten die Kundinnen auf einem Barhocker sitzend zusehen und darauf warten, bis die Pfennigabsätze wieder gerichtet waren. Die Idee des Sofortdienstes – auf einer Minifläche von eben fünf Quadratmetern unter der Rolltreppe des feinen Kaufhauses – war geboren und begeistert seither die Damenwelt. Nach dem erfolgreichen Start wurde das Konzept der Absatz Bar unter dem noch ungeschützten Namen Talon Minute (später Highheel-Bar) in den Warenhäusern von Antwerpen, Gent und Lüttich umgesetzt. 1959 startete Mister Minit in einem Hamburger Kaufhaus und drückte über Dekaden hinweg dem deutschen Markt mit seinen Serviceideen den Stempel auf.

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